»Heute bin ich auf dem Fleck gewesen, wo die Aschenmänner Müll hinbringen. Donnerwetter, war das schön (...) Das wäre was für ein Andersen’ sches Märchen, diese Sammlung ausgedienter Eimer, Körbe, Kessel, Soldatenkochgeschirre, Ölkannen, Draht, Straßenlaternen, Ofenrohre... Heute nacht werde ich wahrscheinlich davon träumen.«

Vincent van Gogh, 1883

 

Wenn Künstler die Welt betrachten, dann sehen sie sie mit anderen Augen und hören sie mit anderen Ohren. Der künstlerische Blick sieht, sammelt, kombiniert und revitalisiert, was anderen verborgen bleibt. Das Verhältnis zu den Dingen ist, wenn Künstlerinnen und Künstler sich ihnen nähern, immer ein ästhetisches, spannungs- und emotionsgeladenes.

Das setzt aber voraus, dass die Dinge, in diesem Fall also eine Halde, vorhanden und zugänglich sind. Der leidenschaftliche Maler van Gogh sieht in der Müllhalde nur Formen und Farben. Offensichtlich ist für ihn und seine Zeit Müll noch kein Problem. Alles verrottet noch von selbst, noch nichts belastet die Umwelt, den Boden, die Gewässer, die Luft. Die Abfälle können in ihrer Ästhetik gewissermaßen noch mit unschuldigen Augen betrachtet werden.

 Die zeitgenössischen Künstler jedoch haben Ihre Unschuld weitestgehend verloren. Sie sehen ebenfalls die Ästhetik in der Ansammlung von Abfällen, die Gebrauchs- und Nutzungsspuren, die durch den Akt des Wegwerfens zufällig entstandenen Arrangements, sie sehen aber auch die damit verbundenen Probleme. Vor allem aber lesen sie die Zukunft in diesen Abfällen:

 Müll, das ist für Künstler Rohstoff zu dem sie meist kostenlos Zugang haben.  Wenn Künstler sich mit diesem Rohstoff beschäftigen, dann ist alles verwertbar. Wenn nicht dinglich oder stofflich, dann als Motiv, Form oder Anlass. Selbst mit der Asche oder der Schlacke von verbranntem Müll wird noch etwas gemacht. Als Ausstellungsmacher interessiert uns zwar auch die dingliche und stoffliche Verwertung, vor allem aber interessieren uns die Ästhetik, die innere Haltung der Künstler und die jeweils verschiedenartige künstlerische Herangehensweise an das Thema Abfall.

RE-ART t(W)oo ist die zwischenzeitlich 5. Ausstellung in der RE-ART Halle Ihlienworth. Ausstellen werden 50 Künstler aus 15 Ländern.

RE-ART t(W)oo geht über das Thema Abfallkunst und Arte Povera weit hinaus. Es gibt auch Arbeiten, die sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und biologischer Vielfalt auseinandersetzen. Deshalb steht das W für das englische Wort zwei in Klammern. Es ist verweist darauf, dass es sich hier um eine sehr sehenswerte Ausstellung mit einer großen Vielfalt an künstlerischen Ausdrucksmitteln und Positionen handelt.